Aufbauarbeit
Aus heutiger Sicht kaum vorstellbar, kam der Trainingsbetrieb der MTG mitten in den Trümmern des 2. Weltkriegs wieder in Gang. So erinnert sich Karl-Heinz Maikämper noch genau an den Tag, als er - 12 Jahre jung - im Spätsommer 1945 in die Turnhalle am Wisthoff-Park kam und dort bereits eine Gruppe von etwa 20 Personen unter der Aufsicht von Johann Kleifges, Anton Tewes und Herbert Fehlings bei Turnübungen vorfand.
Der Sport hatte in Zeiten bitterster Not eine ganz andere Bindungswirkung und Formkraft für das tägliche Leben. Die Konkurrenz durch Fernsehen, Auto und Reisen lag noch in weiter Ferne. Trotz schmaler Kost, schlichtester Ausstattung und begrenzter Räumlichkeiten wurde mit großem Elan die Kunst der Improvisation geübt und gemeinschaftlich gehandelt.
Bereits im Herbst 1945 startete wieder die erste Straßenstaffel "Quer durch Steele". 1946, gerade aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen, stürzte sich Fritz Bender sofort in den Wiederaufbau seiner geliebten Leichtathletik. Für ihn war es wichtig, Jugendliche von der Straße zu holen, ihnen eine Freizeitbetätigung zu geben. So konnten Jugendliche, die sich in Steele aufhielten, nie sicher sein, vom "Chef der Aschenbahn" zum Training eingeladen zu werden.
In Steele gab es drei Turnhallen: In der Mädchenrealschule, am Wisthoff-Park sowie die Halle des TVG Steele 1863 e.V., und für die Leichtathleten war die Kampfbahn Ruhrau Dreh- und Angelpunkt. Dort wurde bereits 1947 wieder ein Sportfest mit westdeutscher Beteiligung durchgeführt.
Der Schwerpunkt der Vereinsarbeit verschob sich allmählich vom Turnen zur Leichtathletik. Treibende Kraft war hier Fritz Bender. 1948 übernahm er das Amt des Ersten Vorsitzenden von Johann Kleifges, der als 70-jähriger endlich sicher sein konnte, dass sein Lebenswerk in guten Händen lag.
Neuer Schwung
In der Nachkriegszeit stand nun der Trainingsbetrieb auf zwei Säulen, dem Turnen und der Leichtathletik. Die Angebote der MTG fanden schnell das Interesse der Jugend, sodass sich bald wieder ein reger Vereinsbetrieb entwickelte.
Schon 1950 triumphierte die MTG wieder rund um das Dortmunder Borsig-Stadion. Sowohl die Frauen als auch die Männer sicherten sich bei den Straßenstaffeln "Quer durch Dortmund" den ersten Platz. Die erste Volkstanzgruppe in der MTG wurde von Herbert Fehlings und Marlene Müller bereits 1948 gegründet! Schon drei Jahre später ertanzte sich diese Gruppe zu Floß auf dem Baldeneysee die Kreismeisterschaft.
Über die Grenzen der Stadt Essen hinaus verschaffte sich die MTG Ansehen und Respekt, und die in der Leichtathletik erzielten Bestmarken, haben nicht nur in der Vereinsgeschichte Bestand.
Immer auf Achse
Die erste größere Veranstaltung, die von den Turnern nach dem Krieg besucht wurde, war das Rheinische Turnfest in Ingelheim. Zur Übernachtung wurden sechs 15-Mann-Zelte bei der Stadt Essen geliehen. Wie bei Wettkämpfen der damaligen Zeit üblich, sorgte der Veranstalter für die Verpflegung aus der Gulaschkanone.
Auch auf Skiern war die MTG damals schon aktiv. Leukerbad hieß damals Meinerzhagen, wohin vierzig MTG-ler zum Skifahren aufbrachen. Die Skier gab es als Leihgabe vom Essener Sportamt.
Die Leichtathleten waren ständig unterwegs, nahmen an vielen Wettkämpfen teil, und nach der Schule ging es oftmals direkt zum Sport in die Ruhrau.
Leichtathletikschmiede MTG
Städtewettkämpfe, Geländeläufe und Waldlaufmeisterschaften bestimmten den Sportkalender. Dem Informationsaustausch diente ein rot lackierter dreieckiger Kasten mit der Aufschrift MTG 1881. Das erste Exemplar hing neben dem Union Filmtheater in der Bochumer Straße.
Stationen in diesen Jahren waren das Sommerburgfest der Stadt Essen, der Herbstwaldlauf in Dahlhausen, die Abendwettkämpfe im Uhlenkrug, der Osterlauf in Paderborn, das Kreisturnfest in Karnap, das Stadtwaldfest, der Borbecker Schlossparklauf, der Herbstlauf in Düsseldorf und die Staffeln "Quer durch Dahlhausen", "Quer durch Witten-Annen" oder "Quer durch Dortmund". Höhepunkt eines jeden Bergfestes war der Turnerische Siebenkampf. Dabei wurde Runde für Runde gegeneinander angetreten, wobei in jeder Runde einige Teilnehmer ausschieden.
In Essen stellte die MTG viele Kreismeister bei den Männern und Frauen, und in den Jugend- und Schülerklassen häuften sich die Erfolge. Mit 300 Teilnehmern wurde 1951 auf dem Sportplatz Ruhrau ein Turn- und Sportwerbefest veranstaltet. Paradedisziplinen auf der Schillerwiese am Stadtwaldplatz waren die 800m, 1500m und 3 mal 1000m.
Schülergipfel
1951 errangen die Schüler beim Sommerburgfest den Wanderpreis der Stadt Essen und verteidigten ihn auch im Folgejahr.
Zu einem Höhepunkt der Vereinsgeschichte wurde das Jahr 1952. Die Jugendmannschaften B und A erzielten bei den Deutschen Meisterschaften jeweils den 1. Platz als beste deutsche Schülermannschaften, und das in Konkurrenz mit mehr als 300 teilnehmenden Vereinen.
Den Meisterwimpel des Deutschen Leichtathletikverbandes erhielten:
Schüler A: Siegfried Blumensaat, Helmut Ließener, Dieter Zimmermann, Hans Croes, Heinz Haake, Josef Bade, Hubert Markowski, Peter Stein, Dieter Steeger, Willi Wrobel.
Schüler B: Manfred Boumann, Siegfried Geller, Erich Walbrodt, Manfred Großhans, Wolfgang Fetthauer, Gerd Übbing, Horst Brodhage.
1953 errang mit Günter Leifhelm erstmals ein MTG-ler für seine läuferischen Leistungen die höchste Auszeichnung des DLV, die Bestennadel. Im Jahr darauf erhielt Manfred Boumann für seinen Erfolg im Kugelstoßen (13,40m) ebenfalls die DLV-Bestennadel.
Sozial engagiert
Oft übersehen werden die sozialen Leistungen, die von Sportvereinen in beiden Weltkriegen übernommen wurden. Sei es durch Sammlungen für Not leidende Sportkameraden oder zur Integration Kriegsversehrter oder Behinderter. In der MTG verankert wurden Behinderte oder Kriegsversehrte, trotz öffentlicher Stigmatisierung, wöchentlich zum Schwimmen ins Stadtbad oder ins Friedrichsbad in Altenessen gefahren. Mit einer Sackkarre und auf einem alten Lloyd Transporter wurden die Behinderten bis an den Beckenrand gefahren. Dort plumpsten sie dann fröhlich ins Wasser.
Zum Abschluss der Saison 1954 organisierte Fritz Bender mit drei Jugendlichen eine Fahrt nach Bleicherode/Mitteldeutschland, um den Kontakt zu den Sportlern im Osten nicht abreißen zu lassen.
Sport und mehr
Bei Feierlichkeiten zeigte sich die MTG schon damals immer in Hochform. So war der Steeler Stadtgarten zur Jubiläumsfeier 1956 völlig überfüllt. Zum Abendsportfest auf dem Sportplatz Ruhrau versammelten sich viele hundert Menschen, um die Wettkämpfer anzufeuern.
Gründe zum Feiern fand man der MTG immer. Und zu den Karnevalsfeiern bei Kattenbracker, im Grauen Esel oder bei Brackmann trafen sich alle Vereinsmitglieder.